Tuesday, May 13, 2014

"Antikapitalisten" im VWL-Unterricht

Alle Jahre seit der 2. großen Rezession (oder ist es diesmal die große Depression) kommt diese Anklage von, wahrscheinlich, linken Studenten, die meinen das im Fach VWL falsche oder veraltete Theorien gelehrt werden. Man stelle sich vor der gleiche Vorwurf würde von Konservativen in den Fächern Soziologie oder Politikwissenschaften gestellt, dann wäre aber der Reichstrag am brennen *hust*.

Aber schauen wir uns doch mal die jungen Studenten und Studentinnen und Ihre Beschwerden an. Der SpOn hat ja ein wenig hier zusammen gefasst. Die Überschrift ist so groß und nichtssagend - alternative Wirtschaftsmodelle, welche denn? Die von Venezuela oder Nord Korea, oder doch wieder zurück in den Faschismus, die sind übrigens nicht neu sondern von der Geschichte schon aussortiert - und man kann nur hoffen das Herr Piketty nicht wirklich so etwas unterstützt. Es würde sein Buch recht unglaubwürdig machen. Denn genau in diesem scheinen ja eben doch die ganzen Theorien der VWL für seinen Schluß zusammen zu laufen, oder will er uns sagen das er da nur Müll analysiert hat?

Dann wird im eigentlich Text allerdings eine gewisse Lena Kaiser interviewt, die politische Gesinnung *pardon* Theorie studiert. Man weis nicht genau warum sie nicht mehr Ökonomie studiert, aber es lässt einen etwas skeptisch in den Text rutschen.

Als erstes geht man auf die Frage ein, ob denn mit einer alternativen Wirtschaftskultur die Krise umgehbar gewesen wäre, welche Frau Kaiser geschickt umgeht und dann meint, mit effizienten Märkten (gibt es in einer überregulierten Weltwirtschaft wie bei uns kaum), quantitativen Methoden (welchen dann? philosophischen Gedankenspielen? - Ach ja, das Solow-Modell ist doch eher qualitativ oder meint Sie eher Wünsche und Emotionen) und rationalem Homo Ökonomicus gehe es nicht. Nun muss man sagen, dass der Homo Oeconomicus mehr oder weniger eine Erfindung der marxistischen Linken ist und in der traditionellen Lehre, wenn dann nur im übertragenen Sinn vorhanden ist. Heute werden Marktakteure durch mehr als die simplistische Annahme des Homo Ökonomikus emuliert, aber das kann man nach 1-2 Semestern noch nicht wissen.
Übrigens, wenn man führende Ökonomen liest und das hat die Frau offensichtlich nicht (da bin ich als Ingenieur ja schon weiter), dann würde man sehen, dass weder Mankiw, noch Becker (leider tot :/), noch Kling, noch Sumner (und er ist wahrlich kein Mainstream) dies so sehen. Ganz im Gegenteil, sie sagen sogar, dass die Reaktionsmaßnahmen und deren Effektivität zumindest vom Monetarismus sehr gut beschrieben wurden. Und auch bei den Ursachen gibt es einen Haufen Theorien von bekannten Ökonomen, die die Krise erklären - natürlich nur wenige neo-Keynsianische.

Und wie möchte Frau Kaiser weiter gehen? Nun, erstmal den Lehrplan entrümpeln, der ist nämlich voll mit so "sinnlosem" Zeug wie "Theorie des allgemeinen Gleichgewichts". Das sie den Wert einer ideellen Theorie nicht erkannt hat, zeigt sie gleich im nächsten Satz. Sie behauptet, sie wäre so nicht realistisch und deshalb unnütz. Eine Definition x strebt gegen eine Grenze scheint ihr noch nie in die Quere gekommen sein. Man muss nicht 100% zu erreichen, um eine Theorie über die Sättigungsgrenze postulieren zu können.
Auch wenn das allgemeine Gleichgewicht in der "schmutzigen" Realität nicht immer dauerhaft erreicht wird, so strebt der Markt im Allgemeinen bei allen internen Kosten dorthin (Externe oder "Preislose" Kosten sind ein anderes Thema, dass aber auch behandelt wird).

Danach geht es gleich wieder zum Homo Ökonomicus, der nicht alternativlos ist. Ist er auch nicht und es wird viel daran geforscht. Man kann sich da auch viel Wissen im Hauptdiplom (bzw. heute Master) aneignen, wenn man dran bleibt. Das man in Klausuren Fakten und Theorien stumpf wiedergeben muss, geschenkt, musste ich bei Höherer Mathematik auch und wird sie in Politikwissenschaften auch machen müssen. Wir sind hier ja nicht beim kreativen Schreiben, sondern müssen auch mal harte Theorien auswendig lernen.

Theorie kann man aber nur vergleichen, wenn man die Grundlagen und die sind nun mal Status Quo, kennt. Mikroökonomie ist nun mal die Basis auch für die meisten Makrotheorien und im Gegensatz zu diesen weitgehend belegbar. Das keine Bezüge zu aktuellen Themen vorliegen, liegt dann wohl aber eher an ihrem Prof bzw. dem deutschen Lehrsystem, weniger an den Inhalten per se. Was soll man aber auch jemandem erklären, der den Komparativen Vorteil nicht verstanden hat, Lineare Optimierung nicht kennt oder sich in den Grundlagen der Statistik nicht auskennt.

Für Jungforscher, die keine Anhänger der Neoklassik sind, ist es in der VWL schwierig bis unmöglich, Karriere zu machen. Denken Sie nur an die wichtigen Journals, in denen man publizieren muss: Die sind von vorne bis hinten neoklassisch.

Da hat sie wohl recht! Wer nicht anhänger des Monetarismus oder der empirischen bzw. mathematischen Ökonomie ist, hat es tendenziell schwerer eine akademische Karriere zu starten. Neoklassisch muss man dafür aber nicht sein, wie ein gewisser Paul Krugman bewiesen hat.

Ach ja, wer etwas über die Alternative wissen möchte, wird natürlich in dem Interview enttäuscht. Hätte die Frau nämlich gesagt Marxismus, Sozialismus oder etwas ähnliches, dann hätte jeder gleich abgewinkt: Das hatten wir doch schon 20x in der Weltgeschichte, hat immer schrecklich geendet: China, Sowjetunion, Nordkorea, Vietnam, DDR, Venezuela, Brasilien, Chile, Spanien, Deutsches Reich etc.

Ach ja, den Aufruf findet man hier und die einzigen, die es in den letzten 60 Jahren geschafft haben die intellektuelle Vielseitigkeit an Universitäten zu zerstören sind die Linken, denn heute sind die Mehrzahl der Lehrstühle besetzt von Leuten, die in einem linken Echochamber leben; zumindest war das der Fall als ich vor etwas mehr als 4 Jahren an einer technischen Uni studiert habe.

Aber naja, so treibt man die gleiche sau alle paar Jahre durch das Dorf.


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