Sunday, April 14, 2013

Innovationsforschung - Wirtschaftstheorie in SpiegelOnline

Tja, manchmal ist es traurig zu sehen, wenn ein Sozialdemokrat versucht mit die Grundlagen der Entwicklungsökonomie zusammenzufassen und zu verstehen. Man merkt, dass er zwar die Papers oder Werke liest (zumindest die Blog Posts), aber das Verständnis für den Gesamtzusammenhang fehlt. Deshalb kommen dann auch so krude Zusätze die nichts mit den Forschungsergebnissen zu tun haben, aber allein dem  Denken des Redakteurs entspringen, dazu. Man lese hier.

Ich mache mir jetzt einmal die Mühe ein paar von diesen Perlen rauszupicken und ein paar mildernde Kommentare dazu zu geben. Eins jedoch vorweg, die Darstellung ist gewohnt schwammig (einige Wissenschaftler, wenige Beispiele etc.) und somit auch nicht sehr aussagekräftig. Ich werde mich auf jene Argumente beschränken, die tatsächlich mit einer echten Quelle und nicht einem vermuteten Konsensus bedacht sind.

So wie die Dampfmaschine einst eine jahrzehntelange Phase ungebrochenen Wirtschaftswachstums einleitete, sollen nun intelligente Bauteile und Roboter in den kommenden Dekaden für einen wahren Wirtschaftsboom sorgen. 

Das ist eine Vermutung, welche die Industriebranche Automatisierungstechnik nun schon seit 20 Jahren propagiert. Es stimmt tatsächlich, dass die Automatisierung zu genommen hat, gleichzeitig aber auch der Aufwand diese automatischen Produktionslinien zu warten und zu versorgen. Es lohnt sich auch nicht jede Assembly Line umzurüsten, was der Redakteur wüsste, wenn er Experte wäre. Denn meist werden nur High-Runner Produkte, d.h. Produkte mit hoher Stückzahl für solche Automatisierungen heran gezogen. Hier sind die Zeitersparnis durch eine gut regulierte Fertigung am höchsten, für Kleinserien oder Einzelfertigungen ist das Unsinn.

Auch den nächsten Satz kann man getrost in den Abfall schmeißen  da die Qualifikationen, die hinter dieser Aussage stehen getrost als entwertet gelten können:

Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Digitalisierungsrevolution die Produktivität der deutschen Industrie um 20 Prozent steigern kann.

Sagt das Bundeswirtschaftsministerium, dass nicht mal die Wachstumszahlen des letzten Quartals richtig vorausberechnen konnte.

Denn woher Wirtschaftswachstum wirklich kommt, ist bis heute eine der umstrittensten Fragen unter Volkswirten. Lange vertrauten Wissenschaftler auf das Modell des Ökonomen Robert Solow, der dafür 1987 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt. Zwar identifiziert Solow Fortschritt als langfristig wichtigste Quelle für Wachstum - doch wie dieser Fortschritt entsteht, darüber schweigt sich sein Modell aus. Seitdem haben sich Generationen von Wirtschaftsforschern an diesem Rätsel abgearbeitet.

Selten habe ich so einen verkorksten Satz gesehen, der zwar grammatikalisch richtig ist, inhaltlich aber viele Schwäche aufweist. Nicht nur damals vertrauen die Wissenschaftler dem Modell Solows, sie tun es auch heute noch. Das Solow-Modell sagt viel aus über Fortschritt, aber auch woher er kommt! Und das Modell selbst geht klar auf einen Punkt ein: Technologie als Treiber des Wachstums. Es ist traurig, dass der Redakteur nicht einmal kurz die Zeit genommen hat, sich das Einführungsvideo bei Marginal Revolution University zum Solow-Modell anzuschauen. Das sich Generationen abgerieben haben stimmt tatsächlich, aber auch mit beachtlichen Erfolgen zu definieren, welche Innovationsfaktoren denn nun helfen.

Der Physiker Luciano Pietronero von der Universität La Sapienzia in Rom sagt jenen Ländern eine rosige Zukunft voraus, deren Wirtschaft sich auf viele unterschiedliche Sektoren stützt und komplexe, weltweit gefragte Produkte herstellt. "Labil ist der Wohlstand hingegen überall dort, wo er an einigen wenigen Produkten hängt", so Pietronero - etwa am Öl in Saudi-Arabien.

Auch das ist nichts neues, die Diversifikation eines Landes ist ein wichtiges Standbein für kontinuierliches Wachstum. Das Staaten, die nur von Ihren Rohstoffen abhängig sind, labil sind, ist auch kein neues Argument. Über den Ressourcenfluch wurde schon in den 90ern ausgiebig debattiert. Es gilt als sicher, dass Staaten ohne stabile politische Strukturen, wenn sie eine ausreichende Menge an Bodenschätzen haben, durch diese nicht wachsen werden sondern stattdessen wahrscheinlich abstürzen.
Genauer gesagt gibt das Solowmodell auch nichts über die Distribution oder das Aussehen von Innovation an, dass wird in der Tat erforscht. Die Schadenfreude des Reporters kann ich hier aber nicht teilen. Es ist mehr ein, "aha, so sieht halt Forschung aus" Moment. Aber jetzt kommt der Brüller:


Die Länder, die 1998 viele dieser komplexen Güter exportierten, wuchsen in den folgenden zehn Jahren schneller. "Je größer die Vielfalt des Know-hows in einer Gesellschaft und je größer die Vielfalt an komplexen Produkten, die sie hervorbringt, desto besser", sagt Hausmann.
Diese Erkenntnisse rütteln an einem Dogma der Wirtschaftswissenschaften: Jenem bereits 1817 von David Ricardo vorgelegten Konzept, wonach Nationen ihren Wohlstand am besten mehren, wenn sie sich auf jene Produkte spezialisieren, die sie am billigsten herstellen können. David Ricardos Theorie steht hinter dem gesamten politischen Konzept der Handelsliberalisierung. Doch wie die Spezialisierung die langfristigen Wachstumsaussichten einer Volkswirtschaft beeinflusst, dazu hat Ricardo keine Aussage gemacht.


Was wir aber haben mit hochmodernen Maschinen und komplexen Produkten IST eben eine große Spezialisierung  dass es viele dieser Spezialisierungen in Deutschland gibt, spielt dafür keine Rolle. Ricardo bezieht sich hier nicht auf die Breite der Spezialisierung, sondern dem Grad der Komplexität, quasi der Tech-Tree und das Verständnis dafür, dass notwendig ist. Ricardos Theorem ist eine Argumentationsquelle für die Handelsliberalisierung, allerdings nicht die wichtigste (Zölle als Rent-seeking, Productivity barriers, Division of Labour um nur ein paar andere zu nennen). Was Ricardo wirklich meinte findet man unter dem Begriff Comparative Advantage, d.h. das Länder sich auf die Produkte spezialisieren, die sie im internationalen Vergleich am besten Verkaufen können, der Preis ist hier ein Grund, aber auch das andere Länder sich auf andere Waren beschränken (Deutschland zum Beispiel auf High-Tech). Eine solche Spezialisierung muss allerdings nicht endgültig sein und braucht auch nicht inflexible sein. Meist ist es ein schleichendes elastisches Prozedere. Hier nochmal eine Erklärung für Neulinge.
Aber das stört den Autor nicht, der hier uneingeschränkt linke Schlagwörter weiter verwendet.

Und dann noch dieser unvergleichliche Schluss, der am Ende des Artikels steht:

Behalten die Ökonomen recht, wird die Klasse der industriellen Produktion eines Landes im 21. Jahrhundert über die Masse siegen. Billiglöhne und miese Arbeitsbedingungen sind dann kein Wettbewerbsvorteil mehr, weil Roboter einfache Tätigkeiten auch selbst erledigen können - egal, wo sie stehen.

Nichts aus den vorhergehenden Paragraphen rechtfertigen den Spruch. Erst einmal müsste auch Deutschland "The Great Stagnation" überwinden, was ich nicht für wahrscheinlich halte, zumindest nicht mit der derzeitigen Dauerkrise und den verkrusteten europäischen Strukturen. Genauso wenig stimmt mich die politische Lage in Deutschland geneigt das ganze eher positiv zu sehen. Billiglöhne und "miese" Arbeitsbedingungen sind aber das einzige, was den Entwicklungsländern überhaupt Spielraum gibt sich zu entwickeln und Roboter werden dass auch nicht ersetzen, die Kosten dafür sind zu hoch. Und da die Energiekosten in Europa auch noch weiter steigen wollen, da man lieber auf Dummheit als rationales ökonomisches Handlen setzt, wird sich das auch so schnell nicht ändern.

Was miese Arbeitsbedingungen sind, ist meiner Meinung nach in Deutschland schon lange unangemessen. Wenn sichere Jobs mit echter Arbeit bei Amazon oder Hermes schon als unmenschlich gelten, dann haben einige hier den Kontakt zur Realität schon lange verloren. Und so sieht das Ende des Artikels auch aus, ein herber Verlust von Realität gepaart mit fehlenden logischen Schlüssen. Setzen, 6.

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