Friday, November 06, 2009

Die schweizer Franzosen

Ich hatte mich gerade mit dem schönen Text bei FAZ.net über den Rösti-Graben der Schweiz beschäftigt, als mir eine Textpassage ganz besonders auffällt. Und mich jetzt zu einer kleinen polemischen, nicht ganz so ernstgemeinten, Ausführung einlädt:

In der politischen Gegenwart macht sich der Röstigraben ebenfalls bemerkbar. So zeigte sich die Romandie bei Abstimmungen über den Beitritt der Schweiz zu europäischen und internationalen Institutionen regelmäßig weitaus weltoffener als die Deutschschweiz. Ginge es nach den Westschweizern, wäre das Land wohl Mitglied der Europäischen Union.

Ich mag ja unsere südlichen Nachbarn besonders, weil sie dieses eigentümlich freie haben, und zumindest am Anfang letzten Jahrhunderts versuchten daran festzuhalten. Heute haben sie mehrere Schritte in den Untergang ihrer Unabhängigkeit gemacht und werden wohl irgendwann von der Hegemonie EU geschluckt (ob mit oder ohne Waffengewalt), spätestens wenn sie ihr Bankengesetz ganz aufgeben und vor einem neuen "Peer Steinbrück" einknicken (oder eben von den Westschweizern in die EU gedrängt werden). Es kann nicht daran liegen, dass der Westen deutschsprachig ist, dass die Schweiz nicht in der EU ist, denn Bern und Basel sind sehr EU-offen. Es kann aber sehr wohl daran liegen, dass der Westen französisch ist, dass diese so bereit für das sozialistische Experiment EU sind.

Lapidar gesagt, kann man den Franzosen einen Hang zur Autokratie und zu sozialistischen Experimenten nachsagen. Ja, auch D hatte sowas, allerdings waren das beides Mal disziplinierte Diktatoren der national-sozialistischen Linie. Die Franzosen hatten hier nur eine Reihe Sonnenkönige und einen Autokraten Napoleon der zwar auch ganz Europa besitzen wollte, dies aber auf fast altmodische königliche Art und Weise. Es bedeutet gleichwohl den Tod vieler Menschen und dennoch wird Napoleon in Frankreich immer noch als ein Held gesehen, dies würde mit Hitler in D nie passieren (nicht mal mit Kaiser Wilhelm II.).
Dann haben wir die Revolution in Frankreich, welche blutig war und gleich darauf in Terrorregime gipfelte, dass Köpfe entfernen zu einem Nationalsport machte.
Und selbst im 2. Weltkrieg waren Franzosen eher zwiespältig, da die Hälfte des Landes spontan mal bei den Deutschen mitmachte, bis sich der Wind drehte.

Dies ist natürlich überspitzt und so nicht ganz korrekt. Es gab auch großen Widerstand gegen Diktatoren (sei es gegen Maximilien de Robespierre oder die Vichy Regierung) und immer ein Drang zu einem verkorksten Freiheitsverständnis. Deshalb war auch die Liebe zwischen Frankreich und den jungen USA größer als sie heute ist.

Jedoch zeigt sich, dass Franzosen selbst heute noch gerne entweder auf den starken Mann (Sarkozy) stehen oder doch auf die weiche sozialistische Gruppe, hauptsache elitär. Anders würde sich das Streben der Westschweizer nach der Geborgenheit der EU nicht erklären lassen. Ausser eben die Hoffnung mit den Machtinstrumenten der EU endlich mehr Einfluss in der Schweiz zu haben. Eine schaurige Vorstellung, die die Westschweizer für mich sehr unsympathisch macht.

Dies ist auch einer der Hauptgründe, warum es für mich schwer ist in Frankreich zu leben. Es ist schon in D nicht leicht, die nur geringfügig weniger staatsgläubig sind als die Franzosen. Der normale Franzose ist ein sehr offener Mensch, wenn man ihn nicht auf sein Land anspricht oder dieses gar kritisiert, da wird er dann zu einem echten Amerikaner und Patrioten und kennt keinen Spaß. Trotzdem werde ich oft von Franzosen gefragt, was ich von dieser oder jener politischer Sache halte worauf ich meistens etwas unverbindliches antworte. Sicher sie machen sich gerne über Ihren Sarkozy lustig, den keiner gewählt haben will, der aber trotzdem regelmäßig Wahlen gewinnt.

Das Problem mit Frankreich liegt in seinen drei kleinen Vokabeln: liberté, egalité et fraternité.
Das erste wurde irgendwann in der Geschichte vergessen, das zweite hat seinen anfänglichen Sinn schon lange verloren und das letzte hat langsam zu viel Wert bekommen. Freiheit wird in Frankreich seltsam ausgelegt und bedeutet hauptsächlich: Freiheit von Verantwortung und Risiko. Egalité ist nicht mehr die Gleichheit vor dem Recht, sondern der Versuch jeden gleich-reich (oder arm) zu machen. Und fraternité hat mehr mit Umverteilung und Ausländerhass zu tun, als mit Toleranz und Beistand im "altertümlichen" Sinne.

Es ist Schade für ein Land, dass einen Denker wie "Bastiat" hervorbrachte, dass man sich soweit von la liberté entfernt hat. Das erstaunlich ist jedoch, dass dieses Gedankengut in die französische Schweiz übergeschwappt ist. Ganz im Gegensatz zu den Schweizerdeutschen bzw. deutschsprachigen Schweizern, die sich doch gerne sehr stark vom deutschen großen Reich abgrenzen (nicht nur sprachlich).

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