Oder eben doch, wie z.B. in diesem SpOn Bericht, der eben Ignoranz über ein anderes wissenschaftliches Fachgebiet nur so ausbreitet. Es geht um den Mindestlohn in Thailand. Hier das Zitat der Unterüberschrift, der jeden Wirtschaftswissenschaftler die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen sollte:
Thailand führt ab Januar 2013 einen Mindestlohn von 7,50 Euro ein - pro Tag. Viel zu hoch, schimpft ein Textilfabrikant und wandert mit seinen Werkshallen ins benachbarte Kambodscha ab. Hier arbeiten Näherinnen für 1,25 Euro. Ein Lehrstück über die dunklen Seiten der Globalisierung.
Gleich werde ich mich ein bisschen detaillierter damit befassen, was denn alles an diesem Zitat so himmelschreiend ist. Der Text möchte und so verstehe ich ihn, die folgende moralische und logische Konnotation bestärken. Mindestlohn von 7,5 € gut, da der arme Arbeiter so mehr verdient, einen menschenwürdigen Lohn so zu sagen (warum 7,5 jetzt genau menschenwürdig sein soll, ist erstmal egal). Dann wird der Textilfabrikant ins schlechte Licht gerückt, da er unpatriotisch abhaut und Näherinnen für 1,25 €/h in Kambodscha "versklavt", oder so ähnlich. Und das alles, und das muss er nicht näher erläutern, ist ganz ganz böse und schlecht; deshalb die dunkle Seite der Globalisierung.
So, und jetzt nehmen wir diese Schilderungen einmal auseinander. 7,5 €/h ist ein super Lohn in Thailand, dass immer noch geringe Lebenskosten besitzt. Das Problem ist, und auch das wird in dem Stück ausgebreitet; Thailand konkuriert mit China und die produzieren noch preiswerter:
Bis vor zehn Jahren hat T.K. Garment auch nach Europa exportiert. Doch dann konzentrierte sich Thaveekijs Unternehmen auf den thailändischen Markt, weil die Firma mit den Dumping-Preisen chinesischer Exporteure in Europa und den USA nicht mehr Schritt halten konnte.
Tja, er hat also mit einem Preisanstieg von 7,5€/h/arbeitskraft einen deutlichen Kostenschub zu verkraften für sein Unternehmen, dass schon vorher nicht konkurrenzfähig im Ausland sein konnte. Er sieht also das eine Investition außerhalb Thailands mehr ein bringt, als die Leute für 300 Baht ahzustellen. Er hätte aber wie die Europäer noch eine andere Möglichkeit: Automatisierung und Prozessoptimierung.
Er könnte für die 300 Baht weniger Menschen anstellen und damit die Kosten wieder senken. So passiert das in Europa. Wenn der Mindestlohn um 50 cent/h steigt, bedeutet das, dass statt z.B. 1000 Arbeiter für 7€/h nur noch 933 Arbeiter für 7,5 €/h angestellt werden. Es gibt also knapp 70 neue Arbeitslose; nicht sofort, aber auf lange Sicht.
Es stellt sich also die Frage was wäre denn der perfekte Mindestlohn, dass möglichst viele Arbeiter Arbeit haben? Keiner weis das genau, aber ich würde sagen, die 70 Arbeitslosen hätten lieber Arbeit für 7 €/h als keine Arbeitsmöglichkeit.
Und dann kommen wir zur Arbeitsplatzverlagerung. Der Kambodschaner war vorher arbeitslos oder hat für 1€ oder weniger gearbeitet. Es ist also keine Versklavung, sondern eine Wohltat dem Arbeiter mehr Lohn zu geben! Man könnte sogar sagen, im Vergleich zum relativ reicheren Thailänder, ist es sogar "moralischer" aus Sicht eines Linken. Aber was ihm vorschwebt ist, dass der Kambodschaner auch 7,5€/h Mindestlohn bekommt. Leider ist das im Markt nicht möglich.
Doch nehmen wir einmal an, es wäre möglich und der Chinese müsste auch für 7,50 €/h angestellt werden (quasi ein globaler Mindestlohn!). Tja, in dem Fall würden Textilien teurer, wir müssten mehr für T-Shirts etc. bezahlen. Das würde bedeuten, dass wir weniger Geld für Nahrungsmittel, High-Tech Produkte, Wohnen, Auto etc. zur Verfügung hätte. Es würde vielleicht auch weniger gespart. Es würde bedeuten, dass man Arbeitsstellen in Deutschland abbauen würde und alle Menschen erst einmal ärmer wären, bis die Automatisierung den 7,50 €/h Arbeiter ablösen kann...
Aber würde man für 7,50€/h überhaupt einen Chinesen oder Thailänder einstellen? Oder nicht lieber gleich einen Italiern, dann wären die Waren auch näher am Konsumenten und Chinese bzw. Thailänder wären wieder in einem anderen Job mit vielleicht nur 4€/h.
Ist vieles von diesem spekulativ? Ja, und genau hier denke ich sollte man zum einfachsten Modell zurückkehren. Ein Job für 1,25 €/h ist für den Kambodschaner besser als kein Job oder einer für 90 cent/h.
Zwar ist der Autor nicht direkt gegen diese Denkweise, aber seine Protagonisten sprechen hier eindeutig für ihn:
Rund 300.000 Arbeiter schuften in den Fabriken Kambodschas, zum überwiegenden Teil sind es Frauen zwischen 18 und 35 Jahren. Die Arbeitsbedingungen sind - wie in allen Billiglohnländern - unmenschlich. Ein gewerkschaftlich organisiertes "Volkstribunal" konstatierte im Februar: "Hier werden die niedrigsten Löhne im Vergleich zu allen Nachbarstaaten gezahlt." Die Arbeiterinnen würden "systematisch in die Armut gedrängt".
Schuften? Ehrliche, richtige Arbeit also? Bestimmt keine einfache oder so schön sozial geregelte Arbeit wie in D, aber bestimmt besser als auf den Reisfeldern, denn sonst wären sie ja da geblieben. Niemand verlässt freiwillig einen schönen Job um einen schlechteren anzunehmen, ausser vielleicht der nebulöse dumme Arme in der 3. Welt, den sich der Autor so gerne vorstellt.
Sind die Arbeitsbedingungen hart und nicht auf westlichem Niveau, sicher. Aber das ist etwas, das können sie in den nächsten Dekaden regeln, während sie nicht mehr hungern, sondern die Zeit haben sich zu beschweren.
Ist der 1,25€/h Job in Kambodscha ein Paradies auf Erden, ein Gott gesandtes Geschenk? Nein, sicher nicht. Aber in der realen Welt bedeutet er mehr Chancen, mehr Reichtum als alle Alternativen. Man kann natürlich ein verträumter realitätsferner Autor im bequemen Bürosessel in Deutschland sein und das für falsch halten, oder man versucht das Leben der Menschen direkt besser zu machen, wie T.K. Garment, in dem man den Leuten zumindest etwas Geld gibt oder sich, wie ich, nicht anmaßt zu wissen was für die Arbeiter gut oder auch nur besser ist.
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