Wednesday, August 08, 2012

Elitismus in der Ausbildung - Frankreich gegen Deutschland

Ich möchte an dieser Stelle gleich zwei Themen ansprechen, die mehr oder minder stark voneinander beeinflusst werden. Einmal um Elitismus und Anforderungen in der Ausbildung allgemein und am speziell am Beispiel Frankreich (école préparatoire). Zweitens geht es mir um eine Aussage eines französischen Arbeitskollegen, dass die französische Arbeitswelt und Politik: "Von Ökonomen gelenkt wird und deshalb die produzierende Industrie nicht mehr vorhanden ist!"

Generell bin ich ein Freund von einem gewissen Elitismus. Es sollten die Standards nicht an die Faulheit des Menschens, sondern der Mensch sich an gewissen Standards anpassen. Damit signalisiert der Lernende dann auch gleich noch Ambitionen und Durchhaltevermögen; neben Intelligenz natürlich.

Was in Deutschen Unis in den Ingenieursfächern in den ersten 4 Semestern ausgesiebt wird, wird in Frankreich in den Classe preparatoire gemacht. Allerdings ist hier Frankreich, wie auch in der Unterrichtsgestaltung, deutlich strikter. Es findet fast keine Selbstorganisation statt, sondern es wird alles vorgegeben und dann in harten Prüfungen abgefragt. Damit soll auf die Ingenieursschulen trainiert werden, das Grundwissen vermittelt werden und schon einmal für die Schulen aussortiert werden. Anstatt dem BAC (franz. Abitur), sind dann die Leistungen in diesen Klassen wesentlich maßgebend für die Ingenieursschulen. Ähnliche Einrichtungen finden sich auch für die ökonomischen Fächer und die Sozialwissenschaften und das obwohl das BAC schon deutlich anspruchsvoller als das Abitur ist.

Dennoch zeigt sich jedoch eins: In der gesamten Wirtschaft hat dies quasi keine Auswirkungen, Frankreich geht es trotz der harten Aussortierung nicht besser oder schlechter als Deutschland/USA. Man könnte sogar sagen, dass der Faktor gänzlich unwichtig ist. Auch ist das Aussortieren im ganzen nicht besser, denn viele Anwärter, die durch Zufall, unglückliche Umstände oder andere Hindernisse nicht in die Vorbereitungsklassen kommen, haben kaum eine Chance diesen Umstand wettzumachen.
Auch das die Wirtschaft die Topleute in diesen Klassen vermutet, ist ein Problem für die Jobsuche in Frankreich und führt im Vergleich zu Deutschland zu noch größerer Cliquenbildung in den oberen Etagen, zum Nachteil für Frankreich. Eine höhere Mobilität und Offenheit gegenüber Quereinsteigern, wie sie stellenweise in Deutschland und stark ausgeprägt in den USA existiert, ist damit in Frankreich nicht zu finden.

Es ist auch nicht klar, ob durch diese starke Formalisierung nicht sogar gewisse Eigenschaften unterdrückt werden, oder keine Beachtung finden, die für das spätere Berufsleben wichtig sind. Es ist auf alle Fälle eine Untersuchung wert.

Das krasse Gegenstück wäre natürlich die USA, die ich jedoch gerade bei der Bildung extrem im Hintertreffen sehe. Es wird zu wenig gefordert und zu viel gefördert. Dies liegt einmal an der Erwartungshaltung der Amerikaner, aber vor allem auch an dem blockierenden Lehrpersonal. Die Vergewerkschaftung des Lehrerberufs hat in den USA für mehr Schaden als Vorteile gesorgt. Keine Wandlungsfähigkeit, Entkopplung von Leistung und Bezahlung, Unkündbarkeit statt Motivation zum Wandel.

Damit komme ich auch zum 2. Punkt, dem Spruch meines Arbeitskollegens.
Ich sehe das nicht ganz so. Tendenziell ist der Weg weg vom produzierenden Gewerbe zur Servicekultur nicht schlechter, vor allem wenn man sich in den verkrusteten westlichen Demokratien keine Arbeiter mehr leisten kann. Auch sind nicht alle produzierenden Jobs gleich ungefährlich oder gleich gut für den Arbeiter, besonders was die gesundheitlichen Umgebungsbedingungen angeht.

Die Frage also, ob man überhaupt produzierende Jobs um jeden Preis erhalten sollte, stellt sich sehr wohl. Allerdings kann man hier direkt sagen, nicht um jeden Preis.

Man muss allerdings auch sagen, dass viele Leute BWLer und VWLer verwechseln. Während der eher pragmatische BWLer durchaus öfter für ein outsourcing innerhalb des Unternehmens argumentiert, ist der VWLer mit seinem Wissen um Gesamtzusammenhänge wesentlich vorsichtiger. Generell würde er nichts empfehlen, sondern den Rat geben, dies im Einzelfall zu bewerten. Generell kann der Staat einiges dafür tun, dass produzierende Gewerbe weiterhin im Heimatland bleiben. Keiner dieser Hebel wird von einem Ökonom per se als schlecht bezeichnet, oder als ungeeignet für Frankreich.
Ganz im Gegenteil, viele Ökonomen drängen schon seit Jahren darauf, dass Frankreich sich mehr für produzierendes Gewerbe öffnet.

Allerdings müssen dann natürlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden:


  • niedrige Unternehmenssteuern
  • niedrige Transportkosten
  • niedrige Steuerbelastung bezgl. des Arbeitnehmers
  • geringe Importschranken
  • Preiswerte Energieversorgung

In einem solchen Umfeld, in dem der Arbeiter etwa 110-120% seines Produktionswertes kostet (anstatt nahe zu 200%), können auch saturierte westliche Demokratien noch gewinnbringend produzieren. Dafür gibt es auch gleich mehrere Gründe:


  • gute Infrastruktur
  • sicherer Rechtsstaat und Rechtslage (erprobt über Jahrhunderte)
  • Hochqualifizierte Arbeitskräfte
  • Know-How

Damit kann man zwar immer noch keine T-Shirt Fabriken in France bauen, aber zumindest den Trend umkehren.

Auch muss man doch einmal Frankreich, Deutschland und die USA vergleichen, eben von dem Standpunkt eines Ökonomen. Hier sieht man, dass der Franzose vielleicht denkt, dass er von einem solchen gelenkt wird, aber die politischen und unternehmerischen Denkweisen eben nicht dem klassischen Liberalismus folgen, sondern eher dem modernen Wohlfahrtsstaat und Coporatismus anhängen und zwar in Europa mehr als in den USA. Unter Hollande ist Frankreich wieder Vorreiter in diesem, dicht gefolgt von Merkels "grünem" Deutschland und hinten an die USA unter Obama. Dennoch würde kein Ökonom auf die Idee kommen, dass Frankreich neoliberalen Theorien hinter her rennt. Eher das Gegenteil ist der Fall und das könnte teuer werden.

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